Lebensmittelverschwendung in Deutschland

– Autorinnen: Andrea Dunker und Emely Kelm –

Ist Lebensmittelverschwendung in Deutschland überhaupt ein Problem?

Und ob! In Deutschland werden (Stand 2020) etwa 11 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Dabei finden 59 % der Verschwendung in Privathaushalten statt, 17 % fallen in der Gastronomie an, 15 % in der Verarbeitung, 7 % im Handel und 2 % in der Primärproduktion, also beispielsweise direkt beim Anbau. Die hauptsächliche Verschwendung findet also in privaten Haushalten statt. Hier fallen jährlich fast 80 kg verschwendete Lebensmittel pro Person an. Das sind 6,5 Millionen Tonnen auf ganz Deutschland bezogen.

Vor allem verschwenden Privathaushalte Obst und Gemüse, aber auch Gekochtes und Backwaren. 

Lebensmittelüberfluss vs. Armut und Hunger in Deutschland

Während in Deutschland jährlich Abermillionen Tonnen Lebensmittel entsorgt werden, befinden sich 16,6 % aller Deutschen unter der Armutsgrenze. Somit gelten 13,8 Millionen Deutsche, beziehungsweise jede:r sechste als arm. Darunter sind 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren – eine erschreckende Zahl, vor allem wenn man bedenkt, dass diese jungen Menschen dadurch auch teilweise keine ausreichende und gesund erhaltende Ernährung und Versorgung erhalten.

Wie unten erklärt, ist „Die Tafel“ eine nicht-staatliche Hilfsorganisation, die Menschen mit Lebensmitteln versorgt. Vielerorts sind die Tafeln allerdings an ihrer Auslastungsgrenze. In Sachsen versorgen die Tafeln sogar 10 % der Bevölkerung.

Wie kommt es denn zu Lebensmittelverschwendung?

Die stetige Verfügbarkeit von Lebensmitteln ist heutzutage vollkommen normal. Die Mehrheit der Deutschen bezieht ihre Lebensmittel aus Supermärkten oder Discountern. Hierbei entsteht eine Dissonanz zwischen den Konsumierenden und den Produkten. Die Arbeit und die Ressourcen, die ein Produkt erfordert, sind vielen Konsument:innen unbekannt oder unbewusst.

Die Wenigsten bauen eigene Nahrungsmittel an und wissen dadurch, welchen Arbeitsaufwand die jeweiligen Lebensmittel haben. Produkte werden dadurch als verfügbare Ware gesehen, die in keinem Zusammenhang mit ihrem Produktionsaufwand stehen. Durch die Unverbundenheit zwischen Produkt und Konsument:innen verlieren diese an Wertschätzung. Konsument:innen fällt es somit leichter, Lebensmittel als „Wegwerfware“ zu sehen. Ist etwas schlecht geworden, können sie es einfach neu kaufen. Für viele scheinen verschwendete Lebensmittel auch keine besondere finanzielle Bürde darzustellen. Sie können es sich leisten, Lebensmittel wegzuwerfen, weil sie genügend finanzielle Absicherung haben, um jederzeit neue Lebensmittel zu beschaffen.

Diese Einstellung wird zusätzlich durch Werbefallen von Supermärkten unterstützt. Hierbei werden große Packungen als günstiger und somit als bessere Wahl vermarktet. Somit entsteht ein Überkonsum, da die großen Packungen zu viel Produkt enthalten, das schlecht wird, bevor es konsumiert werden kann.

Doch nicht nur die Tricks der Lebensmittelindustrie, sondern auch die Laune Einkaufender kann das Kaufverhalten negativ beeinflussen; wer hungrig, gestresst oder in Eile einkaufen geht, neigt eher dazu, zu viel einzukaufen. Auch hier wird Gekauftes oft schlecht, bevor es verbraucht werden kann.

Lebensmittelverschwendung beschränkt sich allerdings nicht nur auf das Kaufverhalten im Supermarkt. Auch zu Hause treffen wir Entscheidungen, die zur vermeidbaren Verschwendung von Lebensmitteln führen. Oftmals werden z. B. Lebensmittel falsch gelagert. Dadurch werden vor allem Obst und Gemüse schneller schlecht und am häufigsten weggeworfen. Ebenso werden viele Lebensmittel nach Ablauf ihres Mindesthaltbarkeitsdatums weggeworfen, obwohl sie noch verzehrbar und genießbar sind. Das MHD wird oft mit dem Hinweis „Zu verbrauchen bis [Datum]“ gleichgesetzt, obwohl sie oft noch weit über das Mindesthaltbarkeitsdatum lecker und frisch sind.

Okay – aber inwiefern betrifft mich das überhaupt?

Der Klimawandel wird oft als globales Problem porträtiert, das eher durch die Politik gelöst werden kann, als durch einfache Bürger:innen. Dennoch ist hier jeder von uns gefragt, den viele kleine Puzzleteilchen ergeben letztlich das große Gesamtbild. Ein Aspekt des Klimawandels ist beispielsweise die Lebensmittelverschwendung, die zum größten Teil in privaten Haushalten stattfindet und auch dort reduziert werden kann – wir alle haben es also gemeinsam in der Hand gegen Lebensmittelverschwendung und für die Umwelt aktiv werden zu können. Aber nicht nur das – denn Lebensmittel kosten Geld und wer Lebensmittel wegwirft, wirft bares Geld weg.

Die 75-80 kg Lebensmittel, die im Schnitt jährlich pro Person weggeworfen werden, entsprechen ungefähr 300 Euro, die jährlich im Müll landen. Auf ganz Deutschland bezogen sind das 25 Milliarden Euro.

300 Euro entsprechen pro Monat 25 Euro pro Person, die im Müll landen. Für einige mögen 25 Euro nicht viel klingen, doch für andere machen 25 Euro oder weniger einen großen Unterschied in ihrem monatlichen Budget. Für ein kinderloses Ehepaar sind das schon 600 Euro pro Jahr und 50 Euro pro Monat, die verschwendet werden und eine vierköpfige Familie wirft im Jahr knapp 1000 Euro weg. Das sind monatlich über 80 Euro. Im Rahmen der massiven Verteuerungen sämtlicher Produkte gerade in den letzten Monaten dürften diese Summen inzwischen um locker 20 % (und mehr) höher ausfallen. Von diesem Geld könnte man beispielsweise viele schöne Ausflüge oder einen kleinen Urlaub finanzieren.

Doch nicht nur auf Einzelne und den persönlichen Geldbeutel wirkt sich die Verschwendung von Lebensmitteln aus, sondern auch auf das Klima.

Jedes produzierte Lebensmittel benötigt Rohstoffe wie unter anderem Anbaufläche, Wasser und Energie, um angebaut, verarbeitet und angeboten zu werden. Kommt es nun zu einer Verschwendung dieser Lebensmittel, dann werden gleichzeitig auch alle Ressourcen verschwendet, die im „Lebenslauf“ dieses Produktes verwendet wurden.

Bei einer Einsparung verschwendeter Lebensmittel könnten beispielsweise 2,6 Millionen Hektar Ackerland eingespart werden. Das entspricht ungefähr 3.641.456 Fußballfeldern oder der Größe von Mecklenburg-Vorpommern beziehungsweise Brandenburg. Ebenso entspricht es 15 %  der Ackerfläche, die benötigt wird, um die gesamte deutsche Ernährung abzudecken. Des Weiteren sorgt jeder Schritt dieses „Lebenslaufes“ für einen CO₂-Ausstoß. Dieser CO₂-Ausstoß geschieht bei der Lebensmittelverschwendung vergeblich und belastet unnötig das Klima.  Dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zufolge könnten allein mit einer 50%igen Reduzierung verschwendeter Lebensmittel sechs Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden. Das entspricht 6.000 Flügen von Frankfurt nach Lissabon.

Welche Projekte unterstützen die Rettung von Lebensmitteln?

In den letzten Jahren haben sich immer mehr Projekte entwickelt, die die Rettung von Lebensmitteln unterstützen. 

Gegen Lebensmittelverschwendung im Handel und für eine soziale Umverteilung kämpft die “Tafel” an. Die “Tafel” ist in Deutschland vermutlich der bekannteste Verein, der gegen Lebensmittelverschwendung in Deutschland ankämpft. Sie sammeln aussortierte und abgelaufene Lebensmittel von Supermärkten ein und verteilen diese an Menschen, die sie benötigen. 

Allerdings gibt es auch Projekte, mit denen einzelne Personen Lebensmittel retten können. Eines dieser Projekte ist “Too Good To Go”, eine App, die Reste von verschiedensten Geschäften vergünstigt anbietet. Zu diesen Geschäften zählen unter anderem Restaurants, Bäckereien und Supermärkte. Lädt man sich die “Too Good To Go”-App herunter, kann man Unverträglichkeiten, Allergien und Ernährungseinschränkungen angeben, sowie den Radius, in dem nach Geschäften gesucht werden soll.  Findet man dann ein Geschäft, meldet man sich über die App für eine Abholung an. Bei der Abholung wird ein Pauschalpreis von beispielsweise 3-5 Euro gezahlt. Dafür erhält man eine Tüte gefüllt mit Überraschungsprodukten, die im Wert den Preis der Tüte für gewöhnlich überschreiten.

Diese App ermöglicht es Geschäften, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden und Nutzenden für einen kleinen Preis eine größere Auswahl an Lebensmitteln oder Gerichten zu erhalten.  

Ein ähnliches Konzept verfolgt das Projekt “foodsharing”. Dieser Verein rettet zum einen Lebensmittel von Geschäften und Produzenten, die dann kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen ermöglicht diese App auch einen Austausch zwischen Privatpersonen, bei dem man übrige Lebensmittel auf der Internetseite zur Verfügung stellt. Ähnlich wie bei Ebay können Interessierte sich daraufhin melden und es kann eine Abholung vereinbart werden.

Auch wir Büdelredder retten regelmäßig große Mengen Lebensmittel und verteilen sie kostenlos an viele Menschen – das schont die Umwelt und den Geldbeutel und macht viele Menschen glücklich.

Und was kann ich persönlich gegen Lebensmittelverschwendung tun?

Es gibt einige Tipps und Tricks, die der Verschwendung vorbeugen können: 

Bevor der Einkauf beginnt, kann ein Speiseplan für die kommende Woche hilfreich sein. Basierend auf diesem Speiseplan kann ein Einkaufszettel erstellt werden. Mit Hilfe des Einkaufszettels bleibt im Bewusstsein, was man eigentlich kaufen muss und man ist weniger verführt Spontankäufe zu tätigen. Natürlich reicht hier ein analoger Zettel. Allerdings gibt es auch Apps wie zB “Bring”, die zur Anfertigung digitaler Einkaufslisten genutzt werden können. Diese Listen lassen sich gleichzeitig von mehreren Geräten aus bearbeiten.

Bei der Erstellung von Speiseplänen und Einkaufslisten ist es ebenfalls hilfreich, einen Blick auf die eigenen Vorräte zu behalten. Dabei können Apps wie “Fresh”, “NoWaste” oder auch “Foodshiner” helfen. Diese erlauben die Katalogisierung und Kategorisierung von Lebensmitteln. Ein Blick aufs Handy reicht dann aus, um festzustellen, was man noch vorrätig hat und was als nächstes abläuft.

Doch nicht nur ein Blick auf die Vorräte, sondern auch ein Blick in den Kühlschrank können hier hilfreich sein; welche Lebensmittel sind angebrochen? Welche Lebensmittel müssen als nächstes gegessen oder verarbeitet werden? Welche Reste müssen noch gegessen werden?

Alle diese einfachen Schritte können einen Überkonsum im Supermarkt verhindern. Es entsteht ebenso ein stärkeres Bewusstsein für die Lebensmittel, die man überhaupt noch hat.

Beim Einkauf selbst lässt sich die Verschwendung von Lebensmitteln verhindern, indem man abgepreiste Ware kauft. Das sind Artikel, die nur noch ein begrenztes Mindesthaltbarkeitsdatum haben.

Viele Supermärkte haben ebenfalls sogenannte “Rettertüten”. Darin befindet sich eine Auswahl an Obst und Gemüse, das entweder schon einige “Macken” hat oder das durch eine frische Lieferung von Lebensmitteln entsorgt werden muss, obwohl es noch gut ist. Diese Tüten werden ebenfalls zu einem günstigeren Preis angeboten. Beispielsweise kann man eine Rettertüte für 3 Euro kaufen und erhält dafür dann 3 kg Obst, Gemüse und Kräuter. Dieses Konzept gibt es teils ebenso für Backwaren. Geschäfte, die diese oder ähnliche Modelle anbieten, sind u.a. Aldi, Lidl, Rewe, Kaufland, Famila und Edeka.

Nach dem Einkauf ist es ebenso wichtig, Lebensmittel richtig zu behandeln. Dazu zählen eine richtige Reinigung und die richtige Lagerung.  Obst und Gemüse können in einem Wasserbad mit Natron gereinigt werden. Wurzelgemüse sollte nach dem Einkauf in einem Wasserbad ziehen, dadurch wird es wieder knackig. Anschließend sollte es im Kühlschrank gelagert werden. Für Beeren und Salate eignet sich eine getrennte Lagerung in luftdichten Behältern, mit einem Papiertuch. Kräuter können mit einem feuchten Papiertuch umwickelt und ebenfalls im Kühlschrank gelagert werden.

Während beispielsweise Äpfel und Kartoffeln bei gemeinsamer Lagerung ihre Haltbarkeit gegenseitig verlängern, sollten Bananen und Äpfel sowie Kartoffeln und Zwiebeln getrennt voneinander gelagert werden, um nur einige Beispiele zu nennen.

Laufen Lebensmittel doch ab (MHD), heißt das nicht, dass sie entsorgt werden müssen. Viele Lebensmittel wie beispielsweise Joghurt sind auch nach Ablauf des MHD noch gut und lecker. Dabei gilt es allerdings immer, die eigenen Sinne zu nutzen. Sieht das Produkt noch gut aus? Sind Schimmel oder unnatürliche Verfärbungen zu erkennen? Riecht und schmeckt das Produkt normal?

Sieht es noch gut aus, riecht es noch gut und schmeckt es noch gut, dann ist es in den meisten Fällen noch gut.

Nach dem Kochen bleiben auch oft Reste übrig. Diese müssen aber nicht weggeworfen werden. Kochreste können in den Kühlschrank gestellt oder auch eingefroren werden. Angebrochene Lebensmittel, die bald ablaufen oder schlecht werden, können gemeinsam in Rezepten verbraucht werden. Dabei helfen Apps und Internetseiten, wie “Beste Reste”, “Chefkoch” und “Choosy”. Hier können Lebensmittel eingegeben werden, woraufhin spezifische Rezepte mit ihnen konfiguriert werden.

Übriges Gemüse, Obst und übrige Kräuter können eingekocht, eingelegt, aber auch eingefroren werden.

Muss man trotzdem etwas wegwerfen, dann ist es immer gut zu schauen, ob es in den Biomüll oder in den Kompost kann. So können Lebensmittelreste der Verschwendung entgehen.

Ihr fahrt in den Urlaub und der Kühlschrank ist noch halb voll? Beim Grillen haben 3 Leute abgesagt und jetzt ist reichlich Essen übrig? Eure Obstbäume und Gemüsegärten liefern viel mehr als ihr auf einmal essen könnt? Beim Einkauf waren die Augen größer als der Hunger und jetzt ist zu viel im Kühlschrank? Super, sicher freuen sich Familie, Freunde oder Nachbarn über die kostenlosen Lebensmittel. Es gibt z. B. auch WhatsApp-Gruppen, in denen man gegenseitig übrig gebliebene Lebensmittel und Speisen anbieten kann – vielleicht magst du ja einfach mal eine gründen?

Quellen:

https://de.statista.com/infografik/16586/lebensmittelverschwendung/

https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/strategie-lebensmittelverschwendung.html

https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/studie-lebensmittelabfaelle-deutschland.html

https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/zgfdT_Lehrkraefte_7-9.pdf?__blob=publicationFile&v=8

https://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/grafik-co2-101.html

https://www.welthungerhilfe.de/lebensmittelverschwendung/

https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/auswaehlen-zubereiten-aufbewahren/lebensmittelverschwendung-folgen-fuer-umwelt-ressourcen-welternaehrung-59565

https://www.der-paritaetische.de/themen/sozialpolitik-arbeit-und-europa/armut-und-grundsicherung/armutsbericht-2022/

https://www.badische-zeitung.de/armut-in-deutschland-fuehrt-zu-mangelernaehrung-und-protest–216838230.html

https://jakefood.com/2021/lebensmittelverschwendung-das-problem-und-die-loesung/?lang=de

https://taz.de/Armut-in-Deutschland/!5864471/

https://www.dw.com/de/lebensmittel-tafeln-am-limit/a-61691228

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/tafeln-armut-familie-lebensmittel-preise-inflation-100.html

https://blog.lebensbruecke.de/start/kinderarmut-2021